Wie funktioniert das deutsche Pfandsystem? | Wissen & Umwelt | DW | 17.11.2021

2021-11-26 03:12:58 By : Mr. Dara Chemn

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In Deutschland wird auf viele Getränkeverpackungen ein Pfand erhoben. Und die Deutschen sind begierig darauf, ihre leeren Flaschen und Dosen zurückzugeben. Aber nicht jeder kennt den Unterschied zwischen Mehrweg und Einweg.

Hier ist alles so schön bunt: Mehrweg-Glasflaschen warten darauf, nachgefüllt zu werden

Ein Samstagmorgen vor einem Supermarkt in der Kölner City: Menschen stehen Schlange mit Tüten voller Flaschen und Dosen. Die Verpackung ist leer – aber dennoch etwas wert: das Pfand, das Kunden beim Kauf zusätzlich zum Getränkepreis bezahlt haben. Sie wird bei Abgabe zurückerstattet. 

Das deutsche Pfandsystem unterscheidet zwei Arten von Getränkeverpackungen: Mehrweg- und Einwegverpackungen. Auf Pfandflaschen müssen Sie in Deutschland immer Pfand zahlen, egal ob aus Glas oder PET-Kunststoff und egal welches Getränk sich darin befindet. Dieses Pfandsystem gibt es schon sehr lange. 

2003 wurde auch ein Pfand auf bestimmte Einweggetränkeverpackungen eingeführt. Die Höhe ist gesetzlich vorgeschrieben: 0,25 Euro pro Flasche. „Vor 2003 wurden jedes Jahr rund drei Milliarden solcher Verpackungen in die Umwelt geworfen“, sagt Thomas Fischer, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Heute liegt die Rücklaufquote in Deutschland bei über 98 Prozent. "Eine höhere Quote ist nicht zu erreichen", sagte Fischer der DW. 

Pfandautomaten in Supermärkten erkennen, welche Pfandflaschenart zurückgegeben wird und berechnen automatisch, wie viel zurückgezahlt werden muss. Wo keine Automaten stehen, nimmt das Personal die Flaschen entgegen. So weit, so einfach. 

Ein typischer Rückgabeautomat in einem deutschen Supermarkt

Komplizierter war bisher die Frage, auf welche Getränkeart ein Einwegpfand erhoben wird: Fruchtsäfte wurden pfandfrei verkauft, für Fruchtsäfte mit Soda war Pfand erforderlich. Ab dem 3. Juli 2021 muss für deutlich mehr Getränke ein Pfand gezahlt werden. Davon ausgenommen ist beispielsweise Milch. Erst ab Anfang 2024 spielen die Inhalte keine Rolle mehr. 

Wenn eine Mehrwegflasche, zum Beispiel eine Glasflasche der deutschen Cola-Marke Fritz-Kola, im Supermarkt zurückgegeben wird, beginnt ein langer Weg. Ein Getränkegroßhändler transportiert sie zu einer Sortieranlage, wo sie mit anderen Flaschen gleicher Form abgeglichen werden. Von dort reist sie zu einem Getränkehersteller – nicht unbedingt Fritz-Kola – der diese besondere Flaschenart verwendet. Dort wird es gereinigt, neu befüllt und zum Wiederverkauf in ein Verkaufsregal zurückgeführt. 

Laut Umweltbundesamt (UBA) kann eine Glasflasche bis zu 50 Mal ohne Qualitätsverlust befüllt werden. Für Mehrweg-Plastikflaschen beziffert das UBA die Wiederverwendungsquote auf das 25-fache.

Der kleine weiße Streifen auf der linken Flasche zeigt an, dass sie bereits wiederverwendet wurde

Einwegflaschen gehen einen anderen Weg. In den Sammelsystemen der Filialen sind sie meist bereits zusammengepresst – das spart Platz beim Transport. Anschließend werden sie einer Recyclinganlage zugeführt, wo sie zerkleinert und zu Granulat verarbeitet werden. Granulate aus PET-Flaschen sind sehr beliebt, da sie als „lebensmittelecht“ gelten – daraus lassen sich Verpackungen für Getränke oder andere Lebensmittel herstellen. Bei anderen Kunststoffarten ist dies nicht der Fall. 

Ab dem Jahr 2025 müssen PET-Einweggetränkeflaschen in Deutschland mindestens zu einem Viertel aus recyceltem Kunststoff bestehen. Fünf Jahre später steigt die Quote auf 30 Prozent für alle Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff. 

Generell gilt: Beide Pfandsysteme, also Mehrweg und Einweg, sparen Rohstoffe, Energie und CO2-Emissionen, sagt Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte beim UBA im Gespräch mit der DW.

Mit Hinweisen auf gute Recyclingfähigkeit verkaufen deutsche Discounter wie Aldi und Lidl Getränke nur noch in Einwegverpackungen. Da Aldi und Co. über eine enorme Marktmacht verfügen, betrifft ihre Entscheidung für Einwegplastik auch die Getränkehersteller. "Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir unsere Getränke im Discounter anbieten", sagt Uwe Kleinert, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung bei Coca-Cola Deutschland, der DW. Und das heißt im Klartext: in Einwegverpackungen.

Nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe aus dem Jahr 2015 sank die Mehrwegquote für Coca-Cola von 56 auf nur noch 42 Prozent. Zusammen mit der PepsiCo-Gruppe gehört die Coca-Cola Company laut der Umweltorganisation Break Free From Plastic zu den größten Plastikverschmutzern der Welt. In Deutschland gibt es Coca-Cola-Getränke aber auch in Mehrwegverpackungen, wie zum Beispiel das Mineralwasser Vio. Neu ist eine 0,4 Liter wiederverwendbare Colaflasche aus Glas.

Die Schwarz-Gruppe, zu der auch der Discounter Lidl gehört, stellt die Einwegflaschen für die eigenen Produkte mittlerweile selbst her. Laut eigener Beschreibung verwendet sie dafür ausschließlich recyceltes PET. Nur die Etiketten und der Deckel seien nicht zu 100 Prozent aus recyceltem Plastik, heißt es. 

Dennoch sagen Umweltschützer: Grundsätzlich sind Mehrwegflaschen umweltfreundlicher als Einwegverpackungen. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe haben Einweg-Plastikflaschen aus 100 Prozent recyceltem Material noch immer nur einen geringen Marktanteil. Zudem geht bei jedem Recyclingprozess Material verloren, so die DUH. Es gibt keinen geschlossenen Stoffkreislauf für das Recycling. 

Und für die meisten PET-Flaschen würde im Herstellungsprozess noch neues Plastik aus Erdöl benötigt. „Im Durchschnitt enthalten Einweg-PET-Flaschen in Deutschland rund 26 Prozent Recyclingmaterial“, sagt Fischer von der DUH. 70 Prozent der Einweg-Plastikflaschen in Deutschland bestehen laut DUH komplett aus Neumaterial.

Gepresst, geschreddert und zu Granulat verarbeitet – das ist mit allen PET-Flaschen möglich, egal ob Einweg- oder Mehrweg

Außerdem werden Mehrweg-Plastikflaschen geschreddert und als PET-Granulat wiederverwendet, sagt Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt. Dies geschieht, wenn eine Flasche ihre Nachfüllrate erreicht hat, also nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form wiederverwendet werden kann. 

Der Mehrwegvorteil gilt aber nur, wenn die Transportwege zum Reinigen und Nachfüllen der Flaschen kurz sind. Andernfalls drohen die Energie- und CO2-Emissionen beim Transport die Einsparungen durch die Wiederverwendung gegenüber der Neuherstellung zunichte zu machen. „Wir empfehlen daher, Mehrweg-Getränkeverpackungen aus der Region zu kaufen“, erklärt Kotschik.

Im Gegensatz zu Einwegflaschen gibt es bei Mehrwegflaschen keine eindeutige Kennzeichnungspflicht. Zwar haben die Mehrweghersteller 2005 ein Symbol für die Etikettierung geschaffen. Aber es ist nicht auf allen Flaschen zu finden. Manchmal befindet sich der Hinweis nur in Textform auf dem Etikett oder ist in die Flasche selbst eingestanzt. Und auch hier sind die Etiketten unterschiedlich: Leihflasche, Mehrwegflasche, Mehrweg- oder Mehrwegflasche.

Laut Gesetz müssen Händler in Geschäften durch gut sichtbare und lesbare Hinweisschilder in den Regalen darauf hinweisen, ob es sich um Einweg- oder Mehrwegverpackungen handelt. Ist aber nur eine Einbahnstraße im Sortiment vorhanden, reicht ein einziges Schild im gesamten Geschäft. Umweltverbände wie der NABU kritisieren dies als unzureichend.

In den Geschäften muss klar sein, ob es sich um Einweg- oder Mehrwegflaschen handelt

Zwar erkennen mittlerweile mehr Verbraucher in Deutschland, ob es sich um eine Einweg- oder Mehrwegflasche handelt. Dennoch glauben 42 Prozent, dass alle Mehrwegflaschen – auch Einwegflaschen – wiederbefüllt werden, wie eine Umfrage der Mehrweg-Arbeitsgruppe Anfang dieses Jahres zeigt.

Zur Verwirrung trägt auch bei, dass Einwegflaschen in Mehrwegkisten oft das PET-Kreislauf-Symbol tragen. Das Symbol steht jedoch für Einweg und Recycling durch Schreddern der Flaschen, nicht für Mehrweg und Wiederbefüllen.

Geschäfte, die nur Einwegflaschen verkaufen, vermeiden die mit dem Mehrwegsystem verbundenen Logistikkosten, profitieren aber vom Recycling und Wiederverkauf von hochwertigem PET. „Für recyceltes PET muss man mehr bezahlen als für neues PET aus Erdöl“, berichtet Uwe Kleinert von Coca-Cola. Aber nur so können die Umweltziele (des Konzerns - Anm. d. Red.) erreicht werden.

Das Geschäft mit PET-Granulat ist mittlerweile äußerst lukrativ. Für den Discounter Lidl, der über eine eigene Recyclinggruppe verfügt, ist „jede Flasche ein Geschenk“, sagt DUH-Mann Fischer.

Der größte Teil des Gewinns stammt jedoch aus dem nicht zurückgegebenen Leergut. Von den rund 16,4 Milliarden Einwegflaschen, die jährlich über deutsche Schalter gehen, werden rund 1,5 Prozent nicht zurückgegeben – das entspricht einer Summe von bis zu 180 Millionen unbezahlten Pfandgeldern.

Die Filialisten, die ihre Einwegflaschen selbst herstellen und abfüllen, profitieren vom Einwegpfand, sagt Jürgen Ziegner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der Tankstellenwirtschaft (ZTG). Selbständige Einzelhändler, Tankstellen und Kioske, die ihre Waren über einen Großhändler beziehen, würden dagegen ausgespart. Denn sie müssten den Großhändlern auch ein Einwegpfand von 25 Cent pro Flasche plus 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Aber sie würden vom Verbraucher nur 25 Cent inklusive Mehrwertsteuer bekommen.

Umweltorganisationen wie der NABU fordern generell, dass Einnahmen aus nicht zurückgeführten Einlagen zur Förderung von Umwelt- und Mehrwegprojekten verwendet werden.

Auch Umweltverbände drängen darauf, das Pfandsystem auf alle Arten von Glas- und Kartonverpackungen auszudehnen – darunter auch Tetra Paks. „Auch für Marmelade oder Honig könnten Mehrwegbehälter entwickelt werden“, sagt DUH-Kreislaufwirtschaftsexperte Fischer. "Alle Produkte wiederverwenden - das ist unser Anspruch."

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